Hintergründe zur positiven Wirkung des Kuschelns
Evolutionstechnisch: Der Mensch war immer ein „Rudeltier“, wie es jetzt seine Vorfahren auch noch sind. Er lebte Jahrzehntausende ausnahmslos in Gruppen zu 30-50 Menschen, was seiner Spezies so das Überleben sicherte. Er schlief in Höhlen dicht an dicht gedrängt, um sich gegenseitig Wärme zu spenden und Schutz zu gewähren.
Die Entwicklung des Menschen vom „Rudeltier“ zum seßhaften Siedler und der damit verbundenen Folge der Verkleinerung der Lebenseinheiten veränderte dieses über zig hunderttausende von Jahren erprobte Sozialgefüge massiv. Diese negative Entwicklung verstärkte sich noch einmal während der Industrialisierung und Übertechnisierung in den letzten Jahrzehnten. Auch die Berührungsfeindlichkeit und moralischen Vorgaben verschiedener Weltreligionen haben ihr Übriges dazu beigetragen. Der Mensch verkümmert in der modernen Zeit geradezu mit seiner evolutionstechnisch in jeder Zelle angelegten Berührungsbedürftigkeit.
In unserer heutigen Gesellschaft herrscht einerseits „chronische Berührungsarmut“ mit all ihren negativen Folgen für Herz und Seele. Tinder, Facebook, WhatsApp, Parship & Co können nicht annähernd bieten, was der Mensch wirklich braucht. Ebenso andere Betäubungen und Süchte, in die sich manche Menschen zwecks Ersatzbefriedigung hingeben.
Der „moderne“ Mensch verknüpft als Erwachsener andererseits Berührung ganz schnell mit Lust und Sex. Berührung wird – wenn überhaupt – nur noch als Vorspiel und nicht als „Hauptattraktion“ eingesetzt, ist also im Alltag sehr oft sexuell ausgerichtet. Diesen angelernten Automatismus, dass Berührung zu Sex führen muss, durchbrechen wir bei ganz bewusst mit aller Achtsamkeit und Präsenz. Kuscheln ist NICHT nur das Vorspiel zum Sex, Kuscheln ist die wertschätzende Hauptattraktion hin zum genährt und geborgen fühlen.
Biologisch: Der Tastsinn der Haut ist der erste Sinn, der sich schon beim Fötus zeigt. Er ist der einzige Sinn, der sich willentlich nicht abschalten lässt. Der Tastsinn macht die Haut zur fühlenden Hülle um unseren Körper. Er hat direkten Bezug zu unserem Immunsystem und zu unserer Seele. Dadurch sind Berührungen förderlich zur Stärkung des Immunsystems und der mental-geistigen Gesundheit.
Neueste Forschungsergebnisse:
Seit zirka anderthalb Jahrzehnten weiß man erst um die C-taktilen Nervenfasern, die ausschließlich auf exakt definierte Berührungsarten reagieren:
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- bei einem mittleren Druck,
- bei angenehmer Wärme,
- bei geringen Bewegungsgeschwindigkeiten (max. 10 cm/sec),
- im angemessenen und angstfreien Rahmen.
- Dieser spezielle C-taktile Tastsinn ist an allen Körperstellen (aller Säugetiere) zu finden, auf denen Haare/Härchen zu finden sind. Also mit Ausnahme der Handinnenflächen und den Fußsohlen.
- Konsequenz: jeder Mensch hat sechs Haupt-Sinne, denn wir haben alle ausnahmslos einen speziellen Streichelsinn!
Emotional: Jeder Mensch verbringt 9 Monate in einer völlig sicheren Umgebung im Mutterleib und wird absolut liebevoll, achtsam und absichtlos von der Gebärmutter umhüllt und beschützt. Es ist absolut verständlich, dass sich jeder Mensch nach diesem Urzustand der ultimativ positiven Körpererfahrung zurücksehnt.
Hormonell: Berührungen vermindern die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol und verstärkt die Ausschüttung von Glückshormonen wie Oxytocin, Serotonin, Dopamin und von Endorphinen. Der Parasympatikus (Teil unseres vegetativen Nervensystems) wird angeregt, der für Erholung und Regeneration unseres Körpers zuständig ist. Herzschlag, Atmung und Blutdruck normalisieren sich bei liebevollen, achtsamen Berührungen. Frühgeborene haben eine deutlich verbesserte Überlebenschance, wenn sie regelmäßig bekuschelt werden.